Nichts weist auf den Aufenthalt Friedrich Nietzsches (1844 bis 1900) in Orta hin. Dabei zählt er zu den bedeutendsten Philosophen bis in unsere Gegenwart. Immerhin ist der Grund seines kurzen Besuches in Orta überliefert. Das liebliche Sommerklima allein war es nicht, vielmehr führte ihn die Liebe zu einer Frau an den Orta-See: Lou von Salomé, Schriftstellerin deutsch-russischer Abstammung. Nietzsche suchte bis dahin vergeblich eine junge und vermögende Ehefrau. Unterstützt in seinem Bestreben wurde er von seiner mütterlichen Gönnerin Malwida von Meysenbug. 1882 lernte er schließlich durch ihre und Paul Rées Vermittlung, einem Freund aus Baseler Zeit, in Rom Lou von Salomé kennen. Anfang Mai desselben Jahres fuhr sie mit ihrer Mutter, dem gemeinsamen Freund Paul Rée und Nietzsche für einige Tage nach Orta, wo sie im alten Gasthof „Leon d‘Oro“ abstieg.

Von Salomé und Nietzsche unternahmen einen gemeinsamen Ausflug zum nahe gelegenen, dem heiligen Franz von Assisi geweihten Monte Sacro. Was dort geschah, darüber kann nur spekuliert werden. Überliefert ist, dass Friedrich und Lou sich länger als vereinbart zu zweit allein in den Hügeln oberhalb des Ortes aufhielten. Bei diesem Spaziergang und den dabei geführten Gesprächen waren sich beide offensichtlich näher gekommen. Lou berichtete über den Moment der Zweisamkeit: „Wir machten zusammen zwischendurch Station, wo der Monte Sacro uns gefesselt zu haben scheint … wenigstens ergab sich eine unbeabsichtigte Kränkung meiner Mutter dadurch, dass Nietzsche und ich uns auf dem Monte Sacro zu lange aufhielten, um sie rechtzeitig abzuholen, was auch Paul Rée, der sie inzwischen unterhielt, sehr übel vermerkte.“ Ein weiterer Grund für die Missstimmung: Freund Rée fühlte sich ebenso wie Nietzsche zu von Salomé hingezogen.

Nach mehrmonatiger Dreiecksbeziehung kam es zum Zerwürfnis zwischen Rée und Nietzsche. Allerdings wurde auch nichts aus einer Beziehung zwischen Nietzsche und von Salomé, ihre Verliebtheit nahm ein rasches Ende. Von Salomé und Rée lebten noch bis 1885 zusammen in Berlin, sollen jedoch ebenso kein Liebespaar gewesen sein. Nietzsche begann währenddessen sein Hauptwerk „Also sprach Zarathustra“. Dass das Erlebnis und die Stimmung am Monte Sacro von Orta nachhaltigen Einfluss auf Nietzsches Werk hatte, lässt sein Vorwort zu „Zarathustra“ vermuten: „In Orta fing es an“.

Literaturtipp: Laura Pariani: Sehnsucht nach Orta; Roman C.H. Beck; 1. Auflage 2002 (nur noch antiquarisch erhältlich).